Mainz, 11. Oktober (WNM) – Der Mainzer Umweltforscher Jos Lelieveld ist der Auffassung, dass der Kampf gegen Schadstoffe in der Luft zum Teil an der falschen Stelle geführt wird.
Lelieveld hat gemeinsam mit anderen in den vergangenen Tagen eine wichtige Studie zu Luftverschmutzung vorgelegt. Darin können die Forscher nachweisen, dass die Luftverschmutzung viel stärkere Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hat als bisher angenommen.
Doch in der Ursachenforschung, wie es dazu kommen konnte und welches die größter Faktoren für die Luftverschmutzung sind, sieht Lelieveld Defizite in der öffentlichen Diskussion: „Die modernen Autos sind viel sauberer als die alten Modelle. Die Schadstoffe sind signifikant zurückgegangen. Ein Verbot der älteren Modelle wäre sinnvoll, und eine Weiterentwicklung in die Elektromobilität ebenso“, sagte Lelieveld dem World News Monitor.
Das Problem bei der Gesetzgebung sei, dass die Grenzwerte zu hoch angesetzt seien. Insgesamt mache der Verkehr als Quelle der Luftverschmutzung „nur 20 Prozent“ der gesamten Schadstoffbelastung aus, sagte Lelieveld. Die Autoindustrie sei eigentlich auf dem richtigen Weg gewesen, haben sich aber mit dem Betrugsskandal beim Diesel „selbst ein faules Ei ins Nest gelegt“.
Lelieveld verweist auf die jüngste Studie der Leopoldina. Darin fordert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina „ zusätzliche Anstrengungen, um die Konzentration von Schadstoffen in der Luft weiter zu reduzieren“. Der Schwerpunkt sollte allerdings „mehr auf Feinstaub als auf Stickstoffoxiden liegen“. Die Studie: „Von kurzfristigen oder kleinräumigen Maßnahmen, etwa von Fahrverboten, sei keine wesentliche Entlastung zu erwarten. Vielmehr sei eine bundesweite ressortübergreifende Strategie zur Luftreinhaltung erforderlich.“ Beim Verkehr sei vor allem der Ausstoß von Treibhausgasen problematisch, weshalb es eine „nachhaltige Verkehrswende“ geben müsse.
Auch der Kohlekraft bescheinigt Lelieveld Fortschritte: „Durch die modernen Filter sind 80 bis 90 Prozent der Schwefeldioxid Emissionen zurückgegangen. Das ist doch eine deutliche Verbesserung.“
Trotzdem bleibt die Kohle auch für ihn ein Problem – wie auch die Landwirtschaft, über die nach Ansicht von Lelieveld zu wenig diskutiert werde. „Die Landwirtschaft richtet enormen Schaden durch die den Ammoniak an. Die Ammoniak-Emissionen müssen aus dem System entfernt werden.“ Das Problem liegt in der Produktion von Gülle: Durch die Massentierhaltung werden enorme Mengen an Gülle erzeugt: „Diese werden dann einfach auf die Felder gekippt. Dadurch werden die Äcker überdüngt. Das System ist falsch, weil früher das Verhältnis von Tieren, Gülle und Landfläche gestimmt hat. Heute gibt es für das Auskippen der Gülle kaum Regeln. Die Landwirtschaftslobby hat das immer wieder erfolgreich verhindert – natürlich mit dem Verweis auf die Preise, die nur bei Beibehaltung der jetzigen Methoden so niedrig bleiben könnten“, sagt Lelieveld. Doch die aktuelle Landwirtschaft sei nicht nachhaltig. Auch der Methan-Ausstoß sein ein Problem – jedoch nicht der einzelnen Kuh, sondern durch die Massentierhaltung. Lelieveld: „Hier ist ein Bereich, wo wir definitiv nicht so weitermachen können.“
Insgesamt regt Lelieveld an, dass die Rechnung „Billig = schmutzig“ anders gestellt werden müssen: „Wir müssen auf die Preise der billigen Lebensmittel die Kosten für das Gesundheitssystem draufschlagen. Dazu müssen wir unser Subventionssystem umbauen: Subventionen soll es für nachhaltige Landwirtschaft geben.“
